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Charis Vlavianos wurde 1957 in Rom geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, Politologie und Philosophie an den Universitäten von Bristol und Oxford. Heute lebt Vlavianos in Athen, wo er am American College Geschichte und Ideologiegeschichte sowie am Europäischen Übersetzerzentrum Literatur (EKEMEL) lehrt. Er ist Herausgeber der renommierten Literaturzeitschrift „Poiisi“ (Ü: Dichtung).

Charis Vlavianos ist durch Sprache, Geburt und Wohnort ein griechischer Autor. Lesern mit relevanter Vorbelastung kann sein Interesse an der Dichtung neugriechischer Klassiker wie Konstantinos Kavafis, Takis Sinopoulos (1917-81) oder Nikos Karousos (1926-90) auch nicht entgehen. Mindestens ebenso deutlich sind aber die Korrespondenzen zwischen seiner Lyrik und dem Werk angelsächsischer Autoren, etwa jenem von Wallace Stevens oder John Ashbery. Mit diesen verbindet Vlavianos zudem der dezidiert intellektuelle Anspruch seiner Lyrik. Dabei gelingt es ihm jedoch stets, in seinen Gedichten ein Gleichgewicht zwischen Abstraktion und Sinnlichkeit, zwischen von Rationalität geprägter Reflexion und der Schaffung einer suggestiven Atmosphäre zu wahren. Ein weiteres konstitutives Merkmal der Poetik von Vlavianos ist sein Festhalten an bestimmten Themenkomplexen. Der wichtigste unter diesen ist die Geschichte (als Begriff wie als Folge von Ereignissen). Häufig gehen die Gedichte von Vlavianos auch auf Wechselfälle im Leben seiner Familie zurück, die er jedoch als gleichsam archetypische Beispiele von emotionaler Abhängigkeit, Verlust oder Verrat zu behandeln versteht. Dagegen erscheinen Erotik und Liebe in seinem Werk sowohl in ihrer Ambivalenz, als auch als Ursprung eines elementaren Glücksgefühls. Eine Inspirationsquelle für Vlavianos ist auch die Dichtung selbst und ihr gefährdeter Status. Schließlich nehmen einige seiner Gedichte direkt auf aktuelle philosophische Diskurse Bezug.

Charis Vlavianos bedient sich einer äußerst eleganten Sprache, die eine grundsätzliche Festlegung auf formale Transparenz mit wenigen, aber gezielt eingesetzten syntaktischen und lexikalischen Normverstößen verbindet. Es ist der besondere Klang dieser Sprache, der beim Leser ungeachtet der strukturellen Vielfalt von Vlavianos´ Lyrik den Eindruck erweckt, einem stilistisch einheitlichen Werk zu begegnen. Und es mag dieser besondere Klang sein, der dazu berechtigen könnte, von einer qualitativen Bereicherung der europäischen Lyrik durch Vlavianos zu sprechen.

Vlavianos legte bisher acht Gedichtbände vor, zuletzt  „Meta to telos tis omorphias“ (2003; Ü: Nach dem Ende der Schönheit). Daneben veröffentlichte er Übersetzungen insbesondere amerikanischer Lyriker sowie Essayistik. 1998 erhielt er den Staatlichen Übersetzerpreis Griechenlands.

Torsten Israel

® internationales literaturfestival berlin

Auf Deutsch sind erschienen:

Unter dem Gewicht der Wörter – Griechische Lyrik der Gegenwart. (Hrsg. und Übers.: Dadi Sideri-Speck). (griech.-deutsch). Romiosini, Köln 1999

Der Engel der Geschichte. Gedichte. (Übers.: Dadi Sideri-Speck/Dimitra Visaitou), Romiosini, Köln 2001.

Griechische Lyrik des 20. Jahrhunderts. (Hrsg: Danae Coulmas), Insel, Frankfurt/M. 2001.

 „land!“. (Gastredaktion: Michaela Prinzinger), Wespennest. Zeitschrift für brauchbare Texte und Bilder. Wien. Heft 124, Sept. 2001.