Die Künstlerin Billie Goussiou

 

Billie Goussiou veröffentlicht anspruchsvolle Karikaturen, deren Themen sie vorwiegend aus sozialen und politischen Gegebenheiten unserer Zeit schöpft. Sie setzt sich mit der Einsamkeit des heutigen Menschen, die ihn in die Isolation bis hin zum Selbstmord treibt, ebenso auseinander wie mit der in eine Sackgasse führende Konsumgesellschaft, der Abstumpfung durch das Fernsehen, der Verlogenheit der Vertreter der Kirche, den unpädagogischen Erziehungsmethoden unserer Schulen, der Korruption der Parteien, der Amerikanisierung der westlichen Welt, dem Verhältnis zwischen Kapitalisten und Arbeitnehmern wie auch den Machenschaften der multinationalen Konzerne. Mit ihren Karikaturen deckt sie diese Missstände auf und weist somit auf den Widersinn unseres täglichen Lebens hin.

 Die Karikaturen der Goussiou kann man in drei Bereiche einteilen: Da ist zuerst ihr Humor. Wer zum Beispiel lacht nicht über jemanden, der für seinen Selbstmord den Fußgängerüberweg einer befahrenen Straße wählt und die Autos zwingt, vor ihm anzuhalten, oder über den, der in seinem Zimmer zwischen Bergen von Büchern in einem Sessel lümmelt und stupide auf den Fernseher starrt.

 Doch bald schon erkennt man, dass man sich auf einer zweiten Ebene befindet, wo die komik ins Tragische überwechselt, und das Lachen gefriert. Über den Mann, der inmitten seiner Bücher verdummt vor dem Bildschirm hockt, konnte man vielleicht noch lachen, bestürzt ist man jedoch über die Karikatur, die zeigt, wie alle Bewohner eines Hochhauses gleichgültig fernsehen, während sich ihr vereinsamter Nachbar an der Lampe seines Zimmers erhängt.

 

 

 

Frau Hannelore Ochs, die über viele Jahre Weggefährtin von Billie Goussiou, schenkte ihr Nachlass der Griechischen Kulturstiftung, Zweigstelle Berlin.

 Ein drittes Merkmal der Goussiou ist ihr kritischer Blick. Mit beißendem Spott karikiert sie die staatlichen und sozialen Einrichtungen, deren Heuchelei und Widersprüchlichkeit sie aufdeckt und damit anklagt.

 Wenn man ihre Karikaturen jedoch insgesamt betrachtet, so spricht trotz aller Bitterkeit aus ihnen die Hoffnung, dass sich die Menschen nicht völlig voneinander entfernt haben-es gar nicht können, es aber der Anstrengung bedarf, um eine grundlegende Änderung unseres Verhaltens zu erzielen, was das Hauptanliegen der Goussiou war. In ihrem Werk gibt es einen Ton von Optimismus, der sich auf den Wert der menschlichen Existenz stützt.

 Jede Karikatur der Goussiou ist ein Kunstwerk mit weißem oder ausgefülltem Hintergrund, das sich durch klare Linien, einem sicheren Strich und Detailgenauigkeit auszeichnet. Vor allem aber besticht immer wieder der treffende Ausdruck der dargestellten Personen, hinter deren Hauptfigur sie sich meist selbst verbirgt, und man weiß nicht, soll man über sie lachen oder weinen. Das wesentlichste Merkmal der Goussiou aber ist, dass ihre Karikaturen jedes erklärende Wort überflüssig machen, dass alle ohne Worte bestehen.

 

Perikles Sfyridis: Die Karikaturen der Billie Goussiou. In: "TRAM", Thessaloniki, Juni 1990
(Entnommen aus dem Katalog Billie Goussiou: Allegro ma non tropo. Herausgegeben von Hannelore Ochs, Diagonios-Verlag, Thessaloniki 1999)

 

 

 

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